Donnerstag, 28. Juli 2011

Am Montag erwarten euch eine Bootboohook-Vorschau...

..sowie die heißesten »Indie»Newcomer für diesen leider nicht ganz so heißen Sommer. Von Chillwave, Glam und Heavy Pop über Post-HipHop und New R&B bis hin zu Kabarettpunk und Kunstpop ist wieder die ganze gelbe »Indie»Farbpalette dabei. Außerdem ein Tribut an Nirvanas Nevermind und ein Album des Monats, das selbst Sufjan Stevens neidisch machen dürfte.

Kommenden Montag von 23 bis 24 Uhr, wie immer nach dem 'Heimspiel LeineHertz'. Zum Live-Stream kommt ihr übrigens, wenn ihr rechts auf den LeineHertz-Button klickt.

Montag, 18. Juli 2011

PLAYLIST VOM 18. JULI

1) Part Time - She's got the right
80er Jahre Filmmusik, Neonlichter und Nebelmaschinen - diese Assoziationen stehen im Pressetext über das Synthpop-Projekt Part Time. Hinter Part Time steckt David Speck aus San Francisco, der stimmlich an Ric Ocasek von der alten New-Wave-Band The Cars erinnert. Das Debütalbum von Part Time mit dem Titel 'What yould you say?' ist am 8. Juli auf dem Label 'Mexican Summer' erschienen.

2) Washed Out - Echoes
Bei 'Mexican Summer' war auch Ernest Greene alias Washed Out einst unter Vertrag. Mittlerweile ist dieser bei Sub Pop untergekommen, eines der weltweit namhaftesten Indie-Labels (mehr Infos zu Sub Pop s.u. bei Shabazz Palaces). Der 28-jährige Soundtüftler aus Atlanta gilt als Wegbereiter des Chillwave - ein Genre, das immer ein wenig belächelt worden ist, wohl auch aufgrund eines sehr verbreiteten Epigonentums, und seinen Zenit deshalb wohl bereits überschritten hat. Denn wer will schon Abklatsch hören?! Nur wenige Chillwave-Künstler wie Panda Bear, Toro Y Moi oder Neon Indian sind wirklich innovativ und geben Anlass zur Hoffnung. Und zu dieser fast elitären Riege zählt eben auch Washed Out, dessen sehnsüchtig erwartetes Debütalbum 'Within and Without' am 8. Juli erschienen ist und laut Pitchfork zu den wenigen Chillwave-Veröffentlichungen gehört, denen auf Albumlänge das Kunststück gelinge, "indie pop catchiness and fragile, narcotic groove" miteinander zu verbinden.

3) Arcade Fire & David Byrne - Speaking in tongues
Pünktlich zum Auftritt als Headliner beim Hurricane veröffentlichten Arcade Fire ihr mit einem Grammy ausgezeichneten 2010er Meisterwerk 'The Suburbs' noch einmal neu als Sonderedition mit dem von Spike Jonze gedrehten Kurzfilm 'Scenes from the Suburbs' sowie zwei brandneuen Songs. Man mag von solchen (Wieder)Vermarktungsaktionen halten was man will: Der Song 'Speaking in Tongues', für den Talking-Heads-Mastermind David Byrne an Bord geholt wurde, ist einfach mal wieder großartig. 'Speaking in Tongues' ist übrigens der Titel des fünften Talking-Heads-Albums aus dem Jahr 1983.

4) Talking Heads - Psycho Killer
Arcade Fire sind zur Zeit auf einem guten Weg, irgendwann in der Rock & Roll Hall of Fame verewigt zu werden. Die Talking Heads haben dieses Kunststück bereits vollbracht. Das 1974 in New York gegründete Quartett um David Byrne gilt als eine der abenteuerlichsten Bands der Rockgeschichte. Aus verschiedensten Elementen sei ein neuer Sound kreiert worden, der "sowohl visionär als auch leidenschaftlich" gewesen sei. Damit haben die Talking Heads immens viele Bands, vor allem aus dem »Indie»Bereich, maßgeblich beeinflusst. Radiohead zum Beispiel, kürzlich vom Musikexpress zur "wichtigsten Band der Welt" auserkoren, benannten sich einst nach dem 1986er Talking-Heads-Songs "Radio Head". Ihr letztes Album veröffentlichten die Talking Heads 1988, die offizielle Auflösung der Band folgte drei Jahre später. Tausendsassa Byrne ist dennoch nach wie vor stets präsent, als Solokünstler und Produzent oder durch verschiedene Kollaborationen wie zum Beispiel mit Fatboy Slim. Mit seinem alten Kollegen Brian Eno, mit dem er 1981 das von Musikerkritikern geliebte Album 'My Life in the Bush of Ghosts' aufgenommen hatte, ging Byrne 2008/2009 auf Welttourne. Vor einigen Jahren hatte Byrne zudem einen denkwürdigen Gastauftritt bei den Simpsons und schrieb in der Folge den Song 'Everybody hates Ned Flanders'.
© Matt Groening / Twentieth Century Fox Film Corporation
5) Television - Venus
Noch vor den Talking Heads gründeten sich Television (bis 1973 nannten die sich noch The Neon Boys), ebenfalls in New York, in dessen Undergroundszene sich damals The Ramones, Patti Smith oder auch Blondie tummelten. Während die Ramones recht schlichte Songs spielten, machten Television durch komplexere Musik ('Art-Punk') auf sich aufmerksam. Das 1977 veröffentlichte Debütalbum 'Marquee Moon' listet Pitchfork als drittbestes Werk der 70er Jahre - gleich hinter David Bowies 'Low' und 'London Calling' von The Clash. "One of the all-time classic guitar albums", meint der Rolling Stone. 'Marquee Moon' zählt zu den wichtigsten Punk-Veröffentlichungen aller Zeiten, bekannte Bands wie Joy Division/New Order oder auch die Synthiepopper Depeche Mode sind von Television maßgeblich beeinflusst worden.

6) Future Islands - Before the Bridge
Ihre Musik bezeichnet die Band aus Baltimore als Post-Wave - eine sehr treffende Wortschöpfung (aus Post-Punk und New Wave) für den speziellen Sound der Future Islands. In der Rezension des 2010 auf 'Thrill Jockey' erschienenen Albums 'In Evening Air' umschrieb Plattentests die Musik mit sehnsüchtigen Synthmotiven, wohliger Melancholie und dem heiser-kratzigen Organ von Samuel T. Herring, das "die dunkle Intensität von Ian Curtis mit David Bowies Theatralik und dem sterilen Sexappeal von, ähem, Billy Idol" verbinde. Kurz: Ein Meisterwerk. Und der neue Song 'Before the Bridge', den es als kostenlosen Download im Internet gibt und morgen auf der gleichnamigen limitierten Vinyl-Single erscheint, lässt für die Future auf mehr hoffen ;)

7) Get Well Soon - My Door
Vom 19. bis zum 21. August findet auf dem Faust-Gelände das Bootboohook-Festival statt. Der Gelbe Tango stellt in dieser und den nächsten beiden Sendungen seine Highlights vor. Und dazu zählt auch Get Well Soon, das Bandprojekt des oberschwäbischen Multiinstrumentalisten Konstantin Gropper, der an der Mannheimer Popakademie studiert hat. "Seine Musik atmet in einem Zug Mahler, Morricone, Badalamenti, Alpenfolklore, Bowie und Radiohead ein," steht auf der Bootboohook-Webseite, "verwebt sie in kammersymphonische Kompositionen, getragen von Achtelgitarrenwänden und baut ein Dach aus der Philosophie des Abendlandes darüber." Gropper hat für viele verschiedene Filme die Musik komponiert, zum Beispiel für 'Same same but different' oder 'Palermo Shooting'. Der gespielte Song 'My Door' stammt vom Soundtrack des Films 'Der Entsorgte Vater' aus dem Jahr 2008.

8) Locas in Love - Es ist alles wirklich so schlimm wie es scheint
Locas in Love gehören zu den meist unterschätzten Bands Deutschland. Ein gutes Album nach dem anderen liefern die Kölner ab, zuletzt vor zweieinhalb Jahren das liebevolle weihnachtliche Konzeptalbum 'Winter'. Auf dem neuesten Album 'Lemming' (VÖ: 01.07.) begehen Locas in Love nun zum Teil einige neue Pfade. Das Ergebnis ist zwar immer noch Deutschpop vom Feinsten, doch liefert das Album auch kleine Ausflüge in Gefilde, die man von Locas in Love noch gar nicht kennt (Noise, Shoegaze, Krautrock). 'Lemming' habe die besten Liebeslieder, die besten Protestsongs, alles so leicht und gewitzt, als wäre das kleines Einmaleins, schreibt Intro. "Dazu Zitate, die viel besser als nur Zitatpop funktionieren, nämlich auf der vollen Klaviatur der Emotionen von zart bis hart. Sagen wir es einfach: das beste unprätentiöse deutschsprachige Indie-Pop-Album seit vielen Jahren." Der Seitenhieb in Richtung von Ja, Panik sei der Intro an dieser Stelle übrigens verziehen.

9) Bon Iver - Perth
Das bis dato beste Folk-Album des Jahres stammt aus der Feder von Justin Vernon alias Bon Iver. Trotz der vielen (Chart-)Erfolge und unzähligen Lobeshymnen sind beim sensiblen Songwriter Vernon - dessen Debütalbum einst dem Liebes- und Lebenskummer entsprang (immer diese armen Songwriter-Geschöpfe, hehe) - die Selbstzweifel geblieben. "Mich plagt immer noch das Gefühl, es rolle mir eine riesige Lawine entgegen", gestand er dem Musikexpress. "Zeitweise war ich mir sicher, sie würde zum Stillstand kommen und mir wieder die dringend nötige Zeit zum Luftholen geben. Aber dann war [Hip-Hop-Superstar] Kanye [West] am Telefon, das Gayngs-Album schlug ein - deshalb hatte ich nie wirklich das Gefühl, dem Wahnsinn wirklich zu entkommen. Im Gegenteil: Es scheint noch schlimmer zu werden. Irgendwie gewöhnt man sich zu einem gewissen Grad dran, aber der Selbstzweifel wird wohl nie ganz verschwinden." Und kürzlich hat dann auch noch Altmeister Neil Young angerufen - der arme Justin :-D
Das neue Album mit dem Titel 'Bon Iver' ist am 17. Juni erschienen und war bereits beim letzten Gelben Tango zu hören. Dort findet ihr auch weitere Infos zu Bon Iver.

10) Shabazz Palaces - The kings's new clothes were made by his own hands
Sorry Casper (der - so ganz am Rande erwähnt, und R-E-S-P-E-C-T dafür - mit seinem Emo-Indie-Hip-Pop-Album 'XOXO' diese Woche auf Platz 1 der Album-Charts einsteigen wird): An Shabazz Palaces ging kein Weg vorbei. Hinter Shabazz Palaces steckt im Wesentlichen Ishmael "Butterfly" Butler aus Seattle. Aus Seattle kommt auch das Label, das Butlers neuestes Album 'Black Up' (VÖ: 01.07.) veröffentlicht hat: Sub Pop, eines der wichtigsten alternativen Labels der letzten zwanzig Jahre (Nirvana und viele andere wichtige Grunge-Bands, The Shins, Foals, The Postal Servive, Fleet Foxes, Wolf Parade - um mal eben ein paar wichtige "Acts" zu nennen). Das Bemerkenswerte daran: Shabazz Palaces ist die allererste Hip-Hop-Veröffentlichung auf 1986 gegründeten Sub Pop. Und deshalb, wie man sich fast denken kann, eine ganz Besondere. "Ein bemerkenswertes HipHop-Modell für die Gegenwart: abstrakt, experimentell, verschroben, düster - trotzdem jazzy, warm und sogar ein wenig eingängig", schreibt motor.de sehr treffend. Und auch die Umschreibung auf der Sub-Pop-Webseite weiß zu gefallen: Wenn Beduinen statt Ziegen Beats hüten würden und in Seattle statt im Atlasgebirge wohnten, wäre dies ihr Album. Na dann. Anspieltipps: 'Are you… can you … were you? (Felt)' und 'Swerve… The reeping of all that is worthwhile (noir not withstanding)' - was für Songtitel...

11) SBTRKT - Trials of the Past
Spätestens seit James Blake im Frühjahr sein Debütalbum veröffentlich hat, ist "Post-Dubstep" in aller Munde - nur dass die betroffenenen Künstler wie Blake, Mount Kimbie oder Jamie Woon diese Genrebezeichnung nicht allzu sehr schätzen. "Nennen wir es Patchworkmusik, die sich aus den unterschiedlichsten Quellen speist: Trip- und HipHop, Ambient, Plinkerplonker und Dubstep", schrieb Musikexpress-Redakteur Albert Koch deshalb trotzig. Diese Beschreibung passt auch zu SBTRKT, der sich, wenn man die Vokale hinzufügt, Subtractone ausspricht. Das Ende Juni erschienene unbetitelte Album klingt wie eine Mischung aus Blake und dem R'n'B-lastigeren Jamie Woon - nur mit dem Unterschied, dass SBTRKT nicht selbst singt, sondern einige Gastsänger am Start hat. "SBTRKT is ultimately a colorful and highly enjoyable future-pop record", resümiert Pitchfork.

12) Holy Other - Feel something
Erst vor etwa einem Jahr, ist auf ZEIT Online zu lesen, begann Holy Other - ein schüchterner Solokünstler, von dem einzig der Vorname bekannt ist - mit dem Musizieren. In dieser kurzen Zeit hinterließ der junge Mann namens David aus Manchester genügend Eindruck, um bei dem angesagten 'Tri Angle Records' unterzukommen. Im Juni folgte nun seine erste Veröffentlichung: Die Maxi-Single 'With U', auf der der Song 'Feel something' zu finden ist. "Schlafzimmer-Pop", so bezeichnet Holy Other seine Musik selbst - denn sehr oft entstehe diese dort, im Bett, während er in der Dunkelheit sitze.

13) Tu Fawning - Just too much
Der Konzerttipp: Tu Fawning spielen am kommenden Samstag 23. Juli im Cafe Glocksee.
Die vier Multiinstrumentalisten um Joe Haege (31 Knots, Menomena) und Corrina Repp "bieten auf ihrem ersten Album 'Hearts On Hold' afrikanisches Tribal-Drumming, metallene Gamelan-Orchester-Musik, gnatschiges Indie-Gitarrenspiel, psychedelische Orgelei und spirituellen Chorgesang. Zusammen wird daraus ein düsteres Klangexperiment, das mit der Zeit hypnotische Kräfte annimmt", schreibt motor.de
Auch der Support Jæ klingt vielversprechend: Hinter Jæ steckt die junge Holländerin Jessica Sligter. "Mit einer atemberaubenden schönen, intensiven Stimme, deren Folk-Noir, pre-War Blues und Klassik-Collagem ganz ähnlich berückend sind wie die Joanna Newsoms", schreibt der Newsletter der Glocksee.

14) WU LYF - Summa's Bliss
15) WU LYF - Cave Song
Zum Abschluss der Sendung das Album des Monats Juli beim Gelben Tango: 'Go tell Fire to the Mountain' von WU LYF, der World Unite! Lucifer Youth Foundation. Aufgenommen wurde das Album übrigens in einer leer stehenden Kirche in Manchester, was ZEIT Online zu der etwas reißerischen Schlagzeile "Luzifers Jugendstiftung rockt vorm Altar" veranlasste. Luzifer stehe jedoch nicht für den Teufel, sondern für das Konzept einer Alternative, erklären WU LYF, dessen Sänger Ellery Roberts stimmlich zwischen Tom Waits und dem Klang oraler Magenentleerung eines stark Alkoholsüchtigen schwanke, wie im aktuellen Musikexpress zu lesen ist. Das ergäbe mit mächtigen Kirchenorgeln, einem Hauch Oasis-Attitüde und den quirligen Gitarren (..) einen sehr eigenwilligen Sound. "Wir streben die emotionelle Intensität des Postrock an, wollen aber mit weniger Zeitverschwendung gleich zum Höhepunkt kommen", erklärt Bassist Tom McClung.

Nächste Sendung am Montag 1. August um 23 Uhr.

Freitag, 15. Juli 2011

Über »Indie»Tellerränder wird am Montag...

...beim Gelben Tango geschaut. Zwar erwarten euch viele gewohnte »Indie»Klänge zwischen Post-Wave, Heavy Pop, Barden-Folk, Art-Punk, Chillwave und Bedroom-Electronica. Ausnahmsweise aber auch mal eine Prise Dubstep sowie Hip Hop ohne Caspereien (sorry für das etwas platte Wortspiel, das man drehen und wenden kann und trotzdem nicht schlauer wird, ob Montag "das erste deutsche Internet-Pop-Phänomen" mit am Start sein wird - also lasst euch überraschen ;)

Wie immer hört ihr ganz viel Neues, darunter ein exklusiver neuer Song von Arcade Fire, für den eigens ein »Indie»Altmeister ins Boot geholt wurde. Und das nehmen wir zum Anlass für eine kleine Zeitreise in die New Yorker Undergroundszene des Jahres 1977...

Wie immer selbstverständlich auch mit dem Album des Monats, einem Konzerttipp sowie ersten Blick auf das wundervolle Bootboohook-Festival nächsten Monat. Einschalten (<--hier geht's zum Live-Stream) lohnt sich: Kommenden Montag 23 bis 24 Uhr, direkt im Anschluss an 'Das Heimspiel LeineHertz'.

Montag, 4. Juli 2011

PLAYLIST VOM 4. JULI

1) When Saints go Machine - Parix
"Vier Jungs aus Kopenhagen finden, dass sie mit Ende zwanzig lange genug im Club waren," schreibt Intro über When Saints go Machine, "um nun Electropop im Zeichen einer neuen Innerlichkeit zu produzieren. So raffiniert und edel instrumentiert (...) ist Introspektion derzeit sonst kaum zu haben." Entgegen aktueller Tendenzen zu betonter Nachlässigkeit in Klang und Rhythmik strebe 'Konkylie' (VÖ: 03.06.) mit fast schon altmodischem Ehrgeiz gen Perfektion. Dieser Eindruck sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass die vier Kopenhagener queere Pop-Traditionen mit einer verblüffenden Schlüssigkeit auf die Schule der New Yorker "Minimal Music" anwendeten. Und das klingt so großartig, dass die Band um den Kapuzenmann mit der Kopfstimme (Sänger Nikolay Vonsild trägt oft einen Kapuzenpulli) heute bereits zum zweiten Mal beim Gelben Tango am Start ist. Mehr Informationen zu When Saints go Machine, zum Beispiel woher der Bandname stammt, findet ihr in der Playlist der letzten Sendung.

2) Bon Iver - Towers
3) Bon Iver - Michicant
Mit ihrem selbstbetitelten zweiten Album (VÖ: 17.06.) sind Bon Iver vergangene Woche - ja, man kann schon fast sagen sensationell - auf Platz 2 der US-amerikanischen Billboard-Charts eingestiegen. Zu verdanken ist dies wohl auch dem britischen Popsternchen Adele: Die outete sich jüngst auf ihrer Homepage als riesiger Bon-Iver-Fan, wodurch sich den Folkmusikern um Singer/Songwriter Justin Vernon eine völlig neue Zielgruppe aufgetan haben dürfte.
Wie ein PR-Märchen lese sich die Erfolgsgeschichte des Barden Justin Vernon, schreibt der KulturSPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe. "Gepeinigt von Krankheit, vom Ende seiner Band und vom Finale einer großen Liebe verkriecht sich der junge, sensible und desillusionierte Amerikaner Justin Vernon für einige Wintermonate in einer Jagdhütte in den Tiefen der Wälder von Wisconsin, um seine Wunden zu lecken und sich mit sanfter Musik zu trösten, die er dort schreibt und einspielt. Zurück in der Zivilisation flippen alle, die seine behutsamen Folk-Klagelieder hören, vor Begeisterung aus. Als 'Bon Iver' (was französisch ausgesprochen 'Guter Winter' bedeutet) veröffentlicht er 2008 das Album 'For Emma, Forever Ago', das sich dank euphorischer Kritiken und Mundpropaganda mehr als eine Million Mal verkauft. Seitdem surren seine Lieder durch hippe US-TV-Serien, werden von Peter Gabriel nachgesungen und beeindruckten den HipHop-Großmeister Kanye West so sehr, dass er mit Vernon, 30, ins Studio ging. Um es kurz zu machen: Das zweite Bon-Iver-Album ist tatsächlich so toll wie das erste. Noch mehr Musik für einsame Waldlichtungen und Sonnenaufgänge im Sommer."

4) John Maus - Streetlight
"Barock-Disco oder doch Postpunk-Wahnwitz?", fragt sich Intro in der Rezension des neuen Albums von John Maus. "Alles jedenfalls vollgeeimert mit Pathos und Sozialkritik. Bach trifft Joy Division. Absolut monumental." Der 1980 geborene ehemalige Musikstudent Maus stammt aus dem Umfeld von Animal Collective und Ariel Pink's Haunted Graffiti. Maus gehört damit quasi zu jenen Musikern, die die Synthiewaveretrowelle diskursfähig gemacht haben. Und verschafft eben diesem Genre dringend benötigten Aufwind mit seinem neuen Solowerk ('We must become the pitiless Censors of ourselves', VÖ: 24.06.), das laut UNCUT Magazine 80er-Jahre-Gothic-Synth-Pop-Nostalgie verströmt, gleichzeitig aber zu schräg sei, um nur schlicht retro zu sein.

5) Two Gallants - Long Summer Day
Der Konzerttipp beim Gelben Tango: Two Gallants, das aus San Francisco stammende "Garage-Country-Folk-Punk-Duo", spielen am Dienstag 12. Juli im Cafe Glocksee. 
Wie bereits in der Sendung angekündigt, wird dies kein kostenloser 'Ruby Tuesday' sein. Aber es lohnt sich definitiv, das haben Two Gallants bei ihrem letzten Auftritt in der Glocksee vor dreieinhalb Jahren unter Beweis gestellt. "Das wohl einzige Duo, das lediglich mittels Drums, Gitarre und Voice eine Energie und Ruppigkeit entwickeln kann wie sonst nur die White Stripes", schreibt die Glocksee in ihrer Ankündigung. Der Song 'Long Summer Day' stammt vom 2006 auf 'Saddle Creek Records' erschienenen Zweitwerk "What the toll tells".

6) Handsome Furs - (White City)
Die Handsome Furs bestehen aus Dan Boeckner, bekannt von seiner Hauptband Wolf Parade, und seiner Ehefrau Alexei Perry. Ein Ehepaar, das für den Rock 'n' Roll lebt - diesen Eindruck machen die beiden zumindest auf der Bühne. Davon kann sich in Hannover bald jeder selbst einen Eindruck machen, denn auch die Handsome Furs werden bald im Cafe Glocksee zu Gast sein, und zwar im September (der Gelbe Tango wird rechtzeitig noch einmal auf den Termin hinweisen). Dann werden sie ihr vor ein paar Tagen erschienenes drittes Album 'Sound Kapital' (VÖ: 01.07.) vorstellen. "Eine sehr dreckige und bisweilen trashige Variante des latent-aufgekratzten Indie-Rocks der Montreal-Szene", schreibt motor.de. Der Song (White City) stammt vom wie ich finde bislang besten Album 'Face Control' aus dem Jahr 2009.

7) Wolf Parade - Grounds for Divorce
Eine der liebsten Indie-Rock-Kapellen des Gelben Tango sind Wolf Parade aus dem kanadischen Montreal. Die Band um die beiden Sänger/Frontmänner Dan Boeckner und Spencer Krug veröffentlichte bislang drei Alben. Ebenso wie Boeckner (mit den Handsome Furs) betreibt auch Krug weitere Projekte neben Wolf Parade, zum Beispiel Sunset Rubdown, Frog Eyes oder ganz aktuell Moonface. Der von Krug geschriebene und gesungene Song 'Grounds for Divorce' stammt aus dem hochgelobten 2005er Debütalbum 'Apologies to the Queen Mary'.

8) Destroyer - Song for America
Beim ersten Hördurchgang wirkt 'Kaputt', das neunte Album von Destroyer (VÖ: 10.06.), mitunter etwas kitschig, doch der orchestral arrangierte Pop von Mastermind Daniel Bejar gehört zweifellos zu den besten Alben der ersten Jahreshälfte: Ein klassischer 'Grower', der erst nach mehreren Hördurchgängen sein riesiges Potenzial entfaltet. Und deshalb heute erneut beim Gelben Tango zu hören. Auch Pitchfork ist voll des Lobes und vergibt mit einer 8.8-Wertung das begehrte 'Best New Music'-Prädikat: "Kaputt feels wise. Like a mirror that actually points back at something better. Something you can jam and let wash over you, but also something you can use. It feels funny, tragic, artful, and ultimately true."

9) Brian Eno - Needles in the Camel's Eye
Anlässlich seines neuen tollen Albums 'Drums Between the Bells' (VÖ: 01.07.), das zusammen mit dem britischen Dichter Rick Holland entstand, gab es kürzlich auf byte.fm eine Brian-Eno-Sondersendung: "Brian Eno ist einer der größten Produzenten unserer Zeit und einer der ersten, die das Aufnahmestudio als Musikinstrument eingesetzt haben. Ambient-Musik ist seine Erfindung. Brian Eno war zunächst Teil von Roxy Music, hat mit Nico gearbeitet, mit John Cale, er hat U2 produziert und die Talking Heads und in jüngerer Zeit für Anna Calvi Klavier gespielt und der jungen englischen Musikerin durch seine Begeisterung (sie sei die größte Sensation seit Patti Smith) einen ordentlichen Publicity-Schub gegeben. (...) Die Liste der Künstler, die mit Eno gearbeitet haben, ist endlos. Die Liste derer, die sich auf ihn beziehen, noch viel länger." Die letzten Alben von Coldplay hat Eno übrigens auch produziert, ließe sich vielleicht noch ergänzen. Oder die Zusammenarbeit mit den deutschen Krautrockern Cluster.
Der Song 'Needles in the Camel's Eye' stammt von seinem 1974 erschienen Solodebüt 'Here come the warm Jets', das sich musikalisch noch stark an den Glam-/Kunstrock seiner Ex-Band Roxy Music orientierte, bevor Eno auf den folgenden Alben die elektronische Musik mehr und mehr für sich entdeckte. Ein paar weitere Infos zu Eno findet ihr in der Playlist vom 18. Februar

10) WU LYF - We Bros
11) WU LYF - Heavy Pop
Das Album des Monats Juli beim Gelben Tango: Go Tell Fire to the Mountain von WU LYF!!!!
WU LYF, das steht für 'World Unite! Lucifer Youth Foundation'. WU LYF machen hymnenhaften Indierock irgendwo zwischen Wolf Parade und Explosions in the Sky - zwar irgendwie eingängig, aber trotzdem mit enormen 'Growerqualitäten'. Schon vor knapp einem Jahr war im Blog der taz über WU LYF zu lesen: Believe the Hype.
"Das Zeitalter des Internets, das Ende der Rocknroll-Mythen. Das weltweite Netz, ein Totengräber der heimlich getuschelten Information, ein Legendenzerstörer. Und wenn man denkt, keine Band könnte mehr dem ewigen, endlos überhitzten MySpace-Hypemachine-Pitchfork-Build'emup-Knock'emdown-Kreislauf entkommen, sehen wir ein Foto einer handvoll vermummter Jünglinge, die sich WU LYF nennen, keine Nachnamen besitzen und mehr oder minder unaufspürbar scheinen. Deren MySpace mehr ein Musterbeispiel für Situationismus 2.0 darstellt als eine Musikhörundfankommunizier-Plattform ist. Die keinen Plattenvertrag unterzeichnen und keine Alben veröffentlichen. Die uns misstrauisch machen würden ob der perfekten Inszenierung ihrer selbst als Untergrundmythos. Die aber gleichzeitig die sensationellste Musik des neuen Jahres schreiben – eine so kaum zuvor gehörte Mixtur aus Pop und Underground, aus Hip-Hop-Vorlieben und Einmanngospelinszenierung. Die, kurz, Heavy Pop spielen." Auch ein Schreiberling vom einflussreichen New Musical Express (NME) war damals voll des Lobes: "I think WU LYF are the best band I’ve seen in 8 years, since… The Libertines. But they're not really very commercial - they're like a Godspeed You Black Emperor, or a Jesus & The Mary Chain… at the moment I can’t see them being a massive seller or an Arcade Fire type band. Well, maybe they will, but I’m not sure it’s what they want. In any case, their story is fascinating and I like the fact they’re not doing things the normal way."
Mittlerweile ist nun das lang erwartete Debütalbum von WU LYF erschienen - selbstverständlich ganz unabhängig auf dem eigenen Label 'LYF Recordings'. Mehr von dem Album des Monats Juli gibt's in der nächsten Sendung am 18. Juli.

12) The Antlers - Putting the dog to sleep
Nirgendwoher kommen soviele hippe Bands wie aus Brooklyn. The Antlers kommen zwar auch aus dem New Yorker Szenestadtteil, sind aber eher die Gegenthese zu der allgegenwärtigen Brooklynschen Hipness. Das vor zwei Jahren erschienene Album 'Hospice' war ein tieftrauriges Konzeptwerk übers Sterben. Und wenn man den Song 'Putting the dog to sleep' hört, könnte man denken, das Sterben sei auch auf dem neuen Album wieder ein zentrales Thema. Das Trio um den falsettsingenden Peter Silberman schlägt aber auch etwas ungewohnte optimistischere Klänge an und liefert mit 'Burst Apart' (VÖ: 24.06.) ein starkes Album, das es durchaus mit den hochgelobten letzten Werken von Bon Iver oder Beach House aufnehmen kann. "The Antlers gehören zu den derzeit besten Bands", bringt es Intro auf den Punkt.

13) The Doors - LA Woman
Gestern vor vierzig Jahren, am 3. Juli 1971, verstarb der legendäre Doors-Sänger Jim Morrison in der Badewanne seines Pariser Apartments. Im Alter von 27 Jahren, womit er sich in den etwas makaber so genannten "Klub 27" um Jimi Hendrix und Janis Joplin (später auch Kurt Cobain) einreihte. In der aktuellen Ausgabe des Musikexpress wird Morrison als "erster echter Rockstar" tituliert: "Er war Punk, bevor es Punk gab." Morrison war das Sexsymbol seiner Zeit und zugleich Ikone und Sprachrohr der damaligen Gegenkultur, "mit einem Bariton wie ein Bärenfell, rau, aber warm. Frauen wollten ihn, und Männer wollten sein wie er. Die dicken schwarzen, langen Haare, die weiße Haut, die blaugrauen Augen, die hohlen Wangen, die spöttischen Lippen. Diese sinnlichen, sarkastischen Texte, die sich so lasen und anhörten, wie James Dean aussah."
Im Frühjahr 1971 erfüllten The Doors mit der Veröffentlichtung ihres sechsten Studioalbums 'LA Woman' ihren Plattenvertrag mit 'Elektra Records', Morrison nahm sich daraufhin die folgenschwere Auszeit in Paris. Der Titeltrack von LA Woman beherbergt übrigens die unvergessene Zeile "Mr. Mojo risin'" - ein Anagramm seines eigenen Namens.



14) No Joy - Heedless
Das Album des Monats Juni beim Gelben Tango ist durch den Sendezeitwechsel sowie den Hype um WU LYF und Bon Iver ein wenig untergegangen. Schade eigentlich, denn 'Ghost Blonde' von dem kanadischen Duo No Joy ist ein ganz tolles Album vor allem für Indie-Nostalgiker. Als kleines Trostpflaster wird in der nächsten Sendung am 18. Juli ein weiteres Album von dem aufstrebenden Indie-Label 'Mexican Summer' vorgestellt , bei dem neben No Joy auch schon The Tallest Man on Earth, Kurt Vile, Best Coast oder auch Ariel Pink's Haunted Graffiti veröffentlicht haben.

Nächste Sendung am Montag 18. Juli um 23 Uhr.

Freitag, 1. Juli 2011

Die erste Montagssendung steht vor der Tür...

Zur Feier des Tages gibt's für euch Montag eine hübsche gelbe Tango-Parade mit einer Ju-L(i)YF-Album-des-Monats-WU-ndertüte, die WU-chtig und WU-ndersam zugleich ist. Zu den weiteren Protagonisten zählen ein Kopenhagener Kapuzenmann mit Kopfstimme, ein klappriges geknechtetes Kamel, knackige Kalifornierinnen und (nicht nur) kaputte Kanadier. Und Brian Peter George St. John le Baptiste de la Salle Eno, der seit vierzig Jahren - ausdauernd wie kein anderer - auf allen möglichen Hochzeiten tanzt.

Mit Songs über lange Sommertage und Straßenlaternen. Über Geschwister und Geschiedene. Rücksichtslose Spaßbremsen. Und Haustiere. Maus und Wolf. Leben und Sterben. Mit einem Nachruf auf Jim Morrison, der vor vierzig Jahren in Paris verstorben ist - R.I.P. - Mr. Mojo Risin'. Im Konzerttipp erwartet euch ein grandioses "Garage-Country-Folk-Punk-Duo", das im Winter 2007 schonmal in Hannover zu Gast war. Und wo wir gerade vom Winter reden (auch wenn da noch keiner dran denken mag): Bon (H)Iver!

Lange Rede, kurzer Sinn: Gelber Tango »Indie» Nacht - wie immer mit handverlesener Musik - kommenden Montag von 23 bis 24 Uhr auf Radio LeineHertz 106einhalb. Dann werden diese teils kryptischen Zeilen auch etwas mehr Sinn ergeben (-: