Donnerstag, 16. Juni 2011

PLAYLIST VOM 16. JUNI

1) Wild Beasts - Reach a bit further
'Smother', das seit Anfang Mai erhältliche Drittwerk der Wild Beasts, ist eine der besten Platten 2011 und aus diesem Grund eröffnen die vier Briten um den falsettsingenden Frontmann Hayden Thorpe die zehnte Sendung des Gelben Tango. "Der verträumte, manchmal elegische Synthesizer-Pop kuschelt sich auf 'Smother' perfekt um Thorpes in sich versunkene Texte", schreibt Plattentests. "Eine einzige Liebeserklärung in zehn Akten an die Schönheit des Synthesizer-Pop in seiner anspruchsvolleren Ausführung."

2) EMA - The Grey Ship
Hinter EMA steckt Erika M. Anderson, die ursprünglich aus dem ländlichen South Dakota stammt, aber bereits in jungen Jahren nach Los Angeles "auswanderte". Mit ihrer Noise-Folk-Band Gowns heimste Anderson bereits so einige positive Kritiken ein und nachdem die Gowns ad acta gelegt wurden, folgte nun das Solodebüt mit dem Titel 'Past Life Martyred Saints' (VÖ: 03.06.) - "eine Supersymbiose aus Post-Punk-Rotz und mürbem Riot-Pop vor knarzendem Akustikfolk und Westcoast-Hipness", findet Intro.

3) Destroyer - Savage Night at the Opera
Nein, Destroyer ist keine Metalband, sondern das Bandprojekt des kanadischen Songwriters Daniel Bejar - "ein Sänger und Autor vom Format Costellos oder Morrisseys, bei dem man sich langsam echt lächerlich vorkommt, wenn man ihn nach 14 Jahre noch als Geheimtipp anpreist", war im Rolling Stone Magazin zu lesen. Mit 'Kaputt' (VÖ: 10.06.) ist nun das mittlerweile neunte Album von Destroyer erschienen - übrigens ein sattes halbes Jahr nach dem US-Veröffentlichungstermin, im schnelllebigen Musikbusiness eine halbe Ewigkeit. Auf 'Kaputt' gelinge Bejar die Unglaublichkeit, so der Rolling Stone, "eine Popmusik zu erfinden, wie man sie noch nicht gehört hat: Eine Art Lounge-Sound aus Melancholie und Hohn, bei dem die Berieselung aber wie Hagel prasselt und der Fluff schillernde Klumpen wirft. (...) Das ist so irrsinnig schön und vernichtend zugleich, dass man wieder eine greifbare Hoffnung für die Zukunft des Pop sieht." Softrock lebt...

4) Beirut - East Harlem
Mit zarten 16 Jahren schmiss Zach Condon die High School und machte sich auf nach Osteuropa, in die Heimat seiner Großeltern. Er trampte herum, trank viel und - so will die Legende - ließ sich in durchfeierten Nächten in die Geheimnisse von Zigeunermusik, Klezmer und Polka einweihen. Zurück in der US-Heimat nahm er in Eigenregie in seinem Wohnzimmer 'Gulag Orkestar' auf, das 2006 veröffentlich wurde. Dass auch Deutschland bei Condons Reisen einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben scheint, davon zeugen Songtitel wie 'Prenzlauerberg', 'Brandenburg' oder 'Rhineland'. Andere Songs auf dem Debütalbum heißen 'Bratislava' oder 'Postcards from Italy'. Mit der Platte gelang Condon der Brückenschlag zwischen Indie- und Weltmusik, und diese Balkanromantik entzückte die Kritiker weltweit. Mittlerweile können sich Beirut eine feste Größe in Indie-Kreisen nennen. Das dritte Album 'The Rip Tide", das für Ende August angekündigt ist und dessen erste Single 'East Harlem' ist, wird schon jetzt sehnsüchtig erwartet.

5) Touchy Mob - Easy on the Eye
Konzerttipp #1: Touchy Mob spielt am Mittwoch 29. Juni im Rahmen des Festival Theaterformen im Innenhof des Schauspielhauses. Eintritt ist frei!!
In der Intro wurde Ludwig Plath alias Touchy Mob als "unser Conor Oberst für 2011" beschrieben. Woanders ist von einer "Mischung aus Kalkbrenner und Grizzly Bear und Animal Collective" zu lesen. Am treffendsten finde ich da noch die Beschreibung aus dem Programmheft des Festival Theaterformen: "Es gibt eine Gitarre und eine Klettverschlussverbindung zum Laptop, ein altes Casiotone-Brett aus dem Mitternachtsshopping. Und vielleicht steht irgendwo noch ein Klavier rum. Live ist das sehr unterhaltsam - ein bisschen Hans Unstern, nur noch etwas verrückter, schräger und sicher auch elektronischer."
Der Song 'Easy on the Eye' stammt aus dem Ende April veröffentlichten Album 'Atlantic Back', das man sich auf seiner Webseite kostenlos herunterladen kann. Wenn ihr euch dort ein wenig umschaut, werdet ihr auch Material seiner großartigen (nicht wundern: polnischen) Band Kyst finden - auch sehr sehr empfehlenswert!!

6) Kreidler - New Earth
Konzerttipp #2:  Kreidler spielen am Sonntag 26. Juni im Rahmen des Festival Theaterformen im Innenhof des Schauspielhauses. Eintritt auch hier frei!!
Auch die Beschreibung von Kreidler aus dem Theaterformen-Programmheft gefällt mir äußerst gut, warum also unnötig Arbeit machen, hehe?! "Kreidler kommen aus Düsseldorf. Da im Rheinland deutsche Musikgeschichte geschrieben wurde, müssen immer wieder Vergleiche herangezogen werden. Das nervt Kreidler manchmal. Sie sagen ja zur Musik und Haltung von Neu! oder Kraftwerk, verstehen aber Querverweise zu CAN nun gar nicht und fühlen sich überhaupt nicht als Post-Rocker."
Sondern wohl eher - hoffentlich können Kreidler mit dieser Schublade leben - als Krautrocker. Krautrock 2.0 quasi. David Bowie, Pavement und Stereolab, so ist auf wikipedia zu lesen, haben der Band bereits ihre Wertschätzung erwiesen. "Avantgarde, die auf Anhieb Spaß macht", schrieb die ZEIT einst über Kreidler, deren Ursprungsbesetzung aus dem Jahr 1994 bestehend aus Thomas Klein, Andreas Reihse und Detlef Weinrich noch immer nahezu intakt ist. Einzig Stefan Schneider verließ die Band Ende der 90er, um sich ganz seiner "Zweitband" To Rococo Rot zu widmen. To Rococo Rot sind übrigens ihrerseits eine durchaus einflussreiche Band - im Postrock-Bereich.
PS: Kreidler spielen im August auch beim Bootboohook!!

7) Cluster - Heiße Lippen
Bei dem Songtitel 'Heiße Lippen' von einem Album namens 'Zuckerzeit' (1974) könnte man spontan an Schlagermusik denken. Aber nein: Cluster (auch: Kluster, Qluster) gehören zu den Pionieren der elektronischen Musik und des Krautrock. Gegründet wurde die Band 1969 von Conrad Schnitzler, Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius. Schnitzler stieg ziemlich bald aus der Band aus, während Moebius und Roedelius in der folge gemeinsam über ein Dutzend Alben aufnahmen. Zudem arbeiteten Moebius & Roedelius mehrfach mit anderen Künstlern zusammen: Mit Michael Rother von den Düsseldorfer Krautrock-Kollegen Neu! bildeten sie Harmonia, kurz darauf folgten bahnbrechende Kollaborationen mit Ambient-Pionier Brian Eno. "The late 1970s and early 1980s were a fantastically exciting time to be making electronic music, as technology changed almost daily and possibilities expanded exponentially. In such a chaotic and unfixed environment, it took smart people with a strong musical sense to make the most of it. These guys fit the bill", schreibt Pitchfork über Cluster & Eno.

8) When Saints go Machine - Add ends
"When the Saints go marching in" ist ein weitverbreitetes Kirchen-/Gospellied. Vier Kopenhagener Jungs, die sich seit ihrer Kindheit kennen, haben diesen Liedtitel als Wortspiel verpackt zu ihrem Bandnamen gemacht. "When Saints go Machine hat etwas von dieser Idee, dass Organisches auf Elektronisches trifft", erklärt Sänger Nikolay Manuel Vonsild, der mit seinen dreißig Jahren der Älteste in der Band ist. Die vier Dänen, allesamt perfektionistische Vollblutmusiker, machen formvollendeten elektronischen Kunstpop, bei dem jedes Tönchen seinen festen Platz hat, abgerundet von einer androgynen Stimme, die an Antony Hegarty erinnert. In Dänemark haben sich WSGM bereits einen Namen gemacht. Hierzulande ist das Debütalbum 'Konkylie' (was auf deutsch 'Muschelhorn' bedeutet) seit dem 3. Juni zu haben.

9) No Joy - You Girls smoke Cigarettes
10) No Joy - Ghost Blonde
'Ghost Blonde' von No Joy ist das Album des Monats Juni beim Gelben Tango. Ähnlich wie schon beim März-Album-des-Monats von Yuck macht auch das Debütalbum der beiden Kanadierinnen schon alleine aus Nostalgiegründen Laune. No Joys noisiger Shoegaze-Grunge - oder wie auch immer man das nennen will - erinnert an 90er-Größen wie My Bloody Valentine, Lush oder Sonic Youth. Mit einem Mini-Budget haben No Joy, bestehend aus Laura Lloyd und Jasmine White-Gluz, das Album selbst aufgenommen und produziert. Gemischt wurde 'Ghost Blonde' (VÖ: 27.05.) von Sune Rose Wagner von den Raveonettes - deren aktuelles, im April erschienenes Album 'Raven in the Grave' übrigens auch sehr schön geworden ist.

11) Lush - Laura
Lush gehörten zu jenen Shoegaze-Bands, die in den 90er Jahren stilprägend für das Londoner Indie-Label 4AD waren. Der Shoegaze-Sound zeichnet(e) sich vor allem durch seine melodischen, aber auch sehr dichten Gitarrenwände aus. Der Begriff Shoegaze - zu deutsch: auf die Schuhe starren - stammt übrigens aus der britischen Musikpresse und begründet sich darin, dass die Gitarrist(inn)en der entsprechenden Bands bei Konzerten meist auf den Boden starrten, entweder aus Verträumt- bzw. Schüchernheit oder ganz einfach, weil sich dort die Gitarren-Effektgeräte befanden.
Lush gründeten sich 1987 in London, zwei Jahre später folgte die Unterschrift bei 4AD, zu deren Aushängeschildern die Cocteau Twins gehörten. Cocteau-Twins-Gitarrist Robin Guthrie stand dann auch Pate bei den ersten Lush-Veröffentlichungen und produzierte deren Debütalbum 'Spooky', das im Januar 1992 veröffentlicht wurde und es auf Platz 7 der UK-Albumcharts schaffte. Nach zwei weiteren, in England ebenfalls sehr erfolgreichen Alben beging Schlagzeuger Chris Acland im Oktober 1996 Selbstmord. Kurz darauf lösten sich Lush auf.

12) Craft Spells - Party Talk
Uuups, da habe ich doch glatt in der ersten Version dieser Playlist die Craft Spells völlig unterschlagen. Doch einem aufmerksamen Leser dieses Blogs entging dieser Fauxpas nicht: "den besten song willst du also allen vorenthalten!!!!! der song vor den battles und nach lush war ein song, der in deutschland noch nicht........ raus mit der sprache!!!" Also gut, hehe: Hinter Craft Spells steckt Justin Vallesteros aus Stockton, einem 300.000-Einwohner-Ort eine gute Autostunde von San Francisco entfernt. Craft Spells hat so einige Parallelen mit Wild Nothing aus der letzten Sendung: Beides sind Ein-Mann-Projekte mit tollem Retrosound, beide sind beim gleichen Label unter Vertrag und in Deutschland bisher nur als Import zu haben. Immerhin gibt's auf Pitchfork (<---) drei kostenlose mp3s vom aktuellen Album 'Idle Labor', das im Frühjahr in den USA erschienen ist. Luftig-lockere Musik für Freunde von The Radio Dept.   

13) Battles feat. Yamantaka Eye - Sundome
Die New Yorker Experimental-Rocker Battles gründeten sich vor knapp zehn Jahren aus Mitgliedern verschiedener namhafter Underground-Bands, weswegen auch oft von einer "Supergroup" die Rede ist. Die Battles, passenderweise unter Vertrag bei Warp Records, verbinden Post-, Prog- und Mathrock mit Kraut, Psychedelia, Avantgarde, Elektronik und Afrobeats. Der Sound der Band klinge wie der Rock des Jahres 2097, schrieb Pitchfork anlässlich des letzten Albums. Das neue Album 'Gloss drop' ist gerade erschienen (VÖ: 03.06.) und wieder sehr großartig geworden, obwohl Sänger Tyondai Braxton während der Aufnahmen aufgrund bandinterner Differenzen mir nichts, dir nichts ausstieg. Als Ersatz mussten eben Gastsänger her, darunter New-Wave-Pionier Gary Numan oder Boredoms-Zeremonienmeister Eye Yamantaka, der mit seinen lautmalerischen Beschwörungen den Abschlusstrack 'Sundome' abrundet.
Wie versprochen noch ein paar Worte zu den Boredoms, eine sehr spannende Band wie ich finde: Die Boredoms wurden 1986 von Yamantaka Eye gegründet, nachdem seine vorherige Band Hanatarash wegen der haarsträubenden Bühnenshows, bei der ohne Rücksicht aufs Publikum allerlei Dinge zerstört wurden, an vielen Orten Auftrittsverbote bekommen hatte. Die Boredoms - benannt nach einem Song der britischen Punkrocker Buzzcocks, musikalisch sicherlich aber eher von avantgardistischeren Bands wie den Berliner Einstürzende Neubauten inspiriert - machten sich bald auch über Japan hinaus einen Namen. So freundete sich Eye zum Beispiel mit Sonic Youth an. Das 1998 erschienene Album 'Super Ae' wurde von Pitchfork sogar unter die fünfzig besten Alben der 90er Jahre gewählt. "Boredoms are like a moon on a lake", versucht sich Eye in mystischen Erklärungen. "Only there is no moon and no lake. Only Boredoms." Aha.

14) Wire - Field Day for the Sundays
Die britischen (Post-)Punk-Helden Wire spielen im August beim Bootboohook. Grund genug, dass sie mit dem 30-Sekunden-Stück 'Field Day for the Sundays' von ihrem legendären 1977er Debütalbum 'Pink Flag' die Sendung beschließen dürfen.

Nächste Sendung - Achtung, neuer Sendeplatz - am Montag 4. Juli von 23 bis 24 Uhr

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