Donnerstag, 19. Mai 2011

PLAYLIST VOM 19. MAI

1ntro) Coldplay - Talk
2) Kraftwerk - Computer Liebe
Dass 'Talk', einer der größten Hits der britischen Stadionrocker Coldplay, die Melodie aus Kraftwerks 'Computer Liebe' enthält, ist in den Medien irgendwie immer ein wenig untergegangen. Auch US-Rapstar Jay-Z bediente sich für seinen schon etwas älteren Hit 'Sunshine' bei Kraftwerk, und zwar beim Song 'Mensch-Maschine'. Soll zeigen: Keine andere deutsche Band kann von sich behaupten so einflussreich zu sein wie die Düsseldorfer.
Als sich Kraftwerk 1970 gründeten, bildeten sie mit ihrer "industrialisierten Volksmusik" (so die Eigenbezeichnung) einen krassen Gegenentwurf zur zeitgenössischen deutschen Schlagermusik. Während die kühl wirkende technische Musik mit den beinahe emotionslos vorgetragenen Textfragmenten im Ausland als "typisch deutsch" galt und Kraftwerk dort bald Kultstatus bescherte, war das Ganze vielen Deutschen womöglich zu deutsch. Hierzulande seien Kraftwerk "eher belächelt" worden, erinnert sich Ralf Hütter, der als einziger aus der Originalbesetzung verblieben ist. "Wir mussten sogar Tourneen absagen, weil keiner zu den Konzerten kam. Mit unserem Album 'Autobahn' sind wir nach Frankreich, in die USA, nach England. Dort wurde es damals besser verstanden." Bis heute scheint sich daran nicht wirklich etwas geändert zu haben: Eine Kollegin fragte mich kürzlich, als gerade Kraftwerk lief, ob das ein "Kompositionsprogramm" sei...
Durch ihre Pionierarbeit auf dem Gebiet der elektronischen Musik zählen Kraftwerk zu den wichtigsten Bands der Musikgeschichte, ihr Erbe ist gewaltig: David Bowie, Daft Punk, Depeche Mode, Radiohead, Nine Inch Nails, Dr. Dre, Rammstein, ja sogar die Sex Pistols - in allen Bereichen der Pop- und Rockmusik haben Kraftwerk ihre Spuren hinterlassen. Die Entstehung neuer Musikrichtungen wie Techno oder auch Hip Hop wurde durch Kraftwerk maßgeblich beeinflusst. Nicht nur Kraftwerks Musik war visionär, sondern auch die Texte. "Automat und Telespiel / leiten heut' die Zukunft ein / Computer für den Kleinbetrieb / Computer für das Eigenheim", sangen Kraftwerk auf dem Album Computerwelt - vor dreißig Jahren wohlgemerkt!!!

3) 31Knots - Candles on open water
4) Tu Fawning - Hand grenade
Joe Haege ist zur Zeit ein vielbeschäftigter Mann: Letztes Jahr war der 31Knots-Gitarrist Dauertourgast bei Menomena, Anfang 2011 brachte er das Debütalbum seines Nebenprojekts Tu Fawning heraus ('Hearts on hold', VÖ: 14.01.). Seine Hauptband 31Knots, die bereits seit Mitte der 90er Jahre besteht, lag derart lange auf Eis, dass bereits über eine Auflösung des Trios aus Portland gemunkelt worden war. Doch nach drei Jahren Abstinenz erschien Anfang Mai nun ein neues 31Knots-Album. Welches - bedingt durch den Tu-Fawning-Tourstress - innerhalb weniger Tage im Kasten sein musste. Das Ergebnis auf "Trump Harm" (VÖ 06.05.) ist wie gewohnt schwer zu kategorisieren. "Weshalb ihre musikalischen Zwischenwelten (...) derart verrückt, klar und überaus gehaltvoll klingen," fragt sich Plattentests, "bleibt auch auf 'Trump Harm' ein echtes Rätsel."
Mit Tu Fawning wird Haege übrigens am Samstag 23. Juli zu Gast im Cafe Glocksee sein, der Gelbe Tango wird euch aber rechtzeitig noch einmal daran erinnern.

5) Modest Mouse - Gravity rides everything
Der Song erschien im Jahr 2000 auf "The Moon & Antarctica", die erste Modest-Mouse-Veröffentlichung auf Epic Records. Der Wechsel zum 'Major Label' (Epic gehört zu Sony Music Entertainment, eine der vier großen Plattenfirmen) war Modest Mouse keinen Deut anzuhören. Verschrobener Indie-Rock vom Feinsten, Pitchfork vergab mit 9.8 gar beinahe die Höchstpunktzahl - eine so hohe Bewertung gibt's bei den kritischen Pitchforkern äußerst selten. Mit über 500.000 verkauften Einheiten in den Vereinigten Staaten bekamen Modest Mouse für "The Moon & Antarctica" eine Goldene Schallplatte. Mit dem Nachfolgealbum "Good news for people who love bad news" wurde die Band um Frontmann Isaac Brock gar mit Platin ausgezeichnet: Mehr als 1.500.000 Exemplare wurden davon in den USA verkauft.
Die 1993 gegründete Band aus dem Nordwesten der USA benannte sich übrigens nach einer Textzeile aus "Das Mal an der Wand" der britischen Schrifstellerin Virginia Woolf.

6) The Dope - OK Babe
Der Konzerttipp beim Gelben Tango: The Dope spielen am Freitag 27. Mai im Cafe Glocksee.
Bevor jemand Böses denkt: The Dope, wohinter zwei junge Männer mit den so urbayerischen Namen Rudi Maier und Franz Neugebauer stecken, benannten sich nach dem mecklenburgischen Naturschutzgebiet Döpe - so jedenfalls die offizielle Version. "Into the Woods" heißt das Debütalbum der züchtigen Naturburschen, ist Ende 2010 erschienen und wurde gemastert von Tobias Siebert (der - so ganz nebenbei - mit seiner großartigen Band Klez.E auch längst überfällig ist für einen Auftritt beim Gelben Tango). 
The Dope, deren krachiger Indie-Rock an Modest Mouse oder auch Sebadoh erinnert, spielten dieses Jahr bereits als Support von The Pains of being pure at Heart und März-Album-des-Monats-Titelträger Yuck. Und nächste Woche in der Glocksee - hingehen!!

7) Glacier (of Maine) - Third Place
Tocotronic-Gitarrist Rick McPhail wurde unsterblich gemacht, als ihm die Hamburger Kollegen von Tomte vor über zehn Jahren ein Lied widmeten. "Du bist kein Mensch, du bist heilig (...) Ich rauche, solange Rick McPhail raucht", sang der ehemalige Tocotronic-Roadie Thees Uhlmann in 'The Rick McPhail Song'.
Während das erste Album von McPhails Nebenprojekt Glacier - das neuerdings dessen US-Heimatstaat Maine als (eingeklammerten) Zusatz im Bandnamen trägt - noch beim Berliner Label Staatsakt erschien, nutzt der Exil-Amerikaner für "Above and beside me" neue Vertriebs- und Vermarktungswege. Da wäre zum einen der Eigenvertrieb ohne Label. Zum anderen die Möglichkeit des kostenlosen Downloads im Internet. Und für die selten gewordene Spezies der CD- und Plattenkäufer gibt's spezielle Kaufanreize. So bekommt man beim Kauf der CD eine LP-Hülle dazu, versehen mit dem Hinweis: "Achtung! CD Version ist auch im Plattencover! Ich weiß, es ist nervig aber welche welcher ist kann man fühlen. Grüße, Rick."
Ach, auch die Musik sollte an dieser Stelle natürlich nicht zu kurz kommen. Der Musikexpress schreibt: "Gleich im ersten Song schlendert die Band hinter einem hypnotischen Rhythmus her, als hätte Neil Young die alten Kumpels von Crazy Horse mal wieder auf die Spuren des Mörders Cortez geschickt. Später wimmern und wummern die Gitarren schön psychedelisch, Pink Floyd schauen vorbei, Radiohead trinken noch einen Tee. Die Stimmung ist melancholisch, das Tempo ist moderat und McPhail singt unspektakulär, aber effektiv. Manchmal lässt er die Gitarre auch aufjaulen, oder er setzt sich mit ihr ans Lagerfeuer. Nahezu systematisch erforscht er die Faszination der Rockmusik, ohne sich auch nur einen Moment in deren allzu ausgelutschte Klischees zu flüchten. Das muss man auch erstmal hinkriegen."

8) Thurston Moore - Circulation
1981 gründete Thurston Moore in New York mit seiner späteren (und immer noch) Ehefrau Kim Gordon die heute legendäre Noise-Rock-Band Sonic Youth, die übrigens maßgeblichen Anteil daran hatte, den auch von dieser Sendung genutzten »Indie»Begriff zu prägen. Mit "Demolished Thoughts" bringt der mittlerweile 52-Jährige am morgigen Freitag (20.05.) sein nunmehr viertes Soloalbum heraus. Produziert wurde das von Beck (Hansen), der mit seinem einstigen Riesenhit "Loser" dem einen oder anderen noch aus guten alten MTV-Zeiten bekannt sein dürfte. Bei dem Song "Circulation", einer der schnelleren Stücke des Albums, spielt Beck übrigens selbst mit.

9) 13 & God - Armored Scarves
10) 13 & God - Oldage
Das Zweitwerk des transatlantischen Projekts 13 & God ist das Album des Monats Mai beim Gelben Tango.
13 & God ist eine Kollaboration der bayerischen Indietronic-Pioniere The Notwist mit der kalifornischen Band Themselves vom Avantgarde-Hip-Hop-Label Anticon. Die beiden Bands lernten sich 2004 auf einer US-Tour kennen, erste Früchte der Zusammenarbeit wurden im Frühjahr 2005 veröffentlicht. Seitdem gingen satte sechs Jahre ins Land, in der Zwischenzeit veröffentlichten The Notwist ein neues Studioalbum, einen Filmsoundtrack und widmeten sich ihren so zahlreichen Nebenprojekten wie Lali Puna, Console oder zuletzt dem Tied & Tickled Trio. Trotz dieser Geschäftigkeit schafften es die Weilheimer, sich ein weiteres Mal mit - Achtung: Wortwitz - Themselves zusammenzusetzen. Das neue 13 & God-Album, das am 6. Mai erschienen ist, heißt "Own your ghost" und wird als Album des Monats in der nächsten Sendung ein weiteres Mal zu hören sein.

11) Wild Beasts - End come too soon
12) Wild Beasts - Loop the loop
Mit "Two Dancers" waren die Wild Beasts letztes Jahr nominiert für den Mercury Prize, mit dem alljährlich das beste britische Album ausgezeichnet wird. Mit ihrem Drittwerk "Smother" (VÖ: 06.05.) setzen die Wild Beasts sogar noch einen drauf, findet der Autor dieser Zeilen. In Berichten über die Wild Beasts ist oft von Talk Talk oder Antony Hegarty zu lesen, doch die Band aus einem kleinen Örtchen im Nordwesten Englands vereehrt eher The Smiths und noch mehr Kate Bush. "Tatsächlich könnte man einem Tauben ihr neues Album 'Smother' als tollkühne Kreuzung aus dem poetischen Gestus der Smiths, dem perkussiven Kosmos der Kate Bush und der Stimme von Antony & The Johnsons beschreiben", schreibt der Musikexpress und folgert: "Ein gewagter Cocktail, der nicht jedem schmeckt." Als Nebenwirkung dieses Cocktails kann Gänsehaut auftreten, warnt der Gelbe Tango. Auch der SPIEGEL ist voll des Lobes: Die Wild Beasts haben "ganz leise, ganz behutsam, ganz unauffällig das ekstatischste Pop-Album dieses frühen Sommers herausgebracht."

13) Bill Callahan - Honeymoon Child (Daytrotter Session)
Die Ende April entstandene Daytrotter Session von Bill Callahan kann man sich hier kostenlos herunterladen - und außerdem Aufnahmen von vielen anderen angesagten Bands und Interpreten wie The National, Foals oder Vampire Weekend. Bei den Daytrotter Sessions handelt es sich um kurze Gigs von Künstlern, die gerade auf der Durchreise sind durch Rock Island, wo sich das Daytrotter-Studio befindet. Und ja, der Ort (der zwei bis drei Autostunden westlich von Chicago liegt) heißt wirklich Rock Island - was für ein passender Name für Rock'n'Roll, wa!? :-D
Bill Callahans neuestes Album, das ganz hervorragende "Apocalypse" (VÖ: 08.04.), war vor vier Wochen beim Gelben Tango zu hören. Der Song "Honeymoon Child" stammt aus dem 2007 erschienenen "Woke on a Whaleheart".

Nächste Sendung am 2. Juni um 23 Uhr.

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