Donnerstag, 5. Mai 2011

PLAYLIST VOM 5. MAI

1) Ja, Panik - Modern Life is War
2) Ja, Panik - Suicide 
"Ein besseres, beängstigenderes, ja, bedeutsameres deutschsprachiges Album wird es dieses Jahr kaum noch geben", schreibt der DER SPIEGEL über das vierte Album von Ja, Panik und vergibt mit 10 Punkten die Höchstwertung. Plattentests stimmt zu: "Kaum vorstellbar, dass da in nächster Zeit ein spannungsreicheres Stück Popmusik in deutscher Sprache kommen wird." Obwohl [Klugscheißmodus an]: Deutschsprachig ist das Album streng genommen nicht wirklich. Es stammt vielmehr von einer deutschsprachigen Band, die aus Österreich kommt, in Berlin lebt und sich in einem Germanaustriaenglishkauderwelsch artikuliert. Wie auch immer [Klugscheißmodus aus], DMD KIU LIDT (VÖ 15.04.) ist das Album des Monats April beim Gelben Tango.

3) Spacemen 3 - Walkin' with Jesus
Kultstatus erlangten die Spacemen 3 - gegründet 1982 in der englischen Kleinstadt Rugby - mit ihrem minimalistischen psychedelischen Spacerock. Namhafte »Indie»Bands wie Primal Scream, Mogwai, The Flaming Lips, Yo La Tengo oder auch Hot Chip benennen die Band um Frontmann Jason Pierce alias J. Spaceman als wichtigen Einfluss. Berühmt-berüchtigt waren die Spacemen 3 auch durch ihren exzessiven Drogenkonsum, der sicherlich seinen Teil zur Trennung beitrug. Aus den Spacemen 3 ging Anfang der 90er Jahre die von Pierce ins Leben gerufene und noch heute existierende Nachfolgeband Spiritualized hervor. "Walkin' with Jesus", die erste Spacemen-3-Single, ist auf dem 1986 veröffentlichten Album "Sound of Confusion" zu finden.

4) Moon Duo - Run around
Das Moon Duo besteht aus der Keyboarderin Sanae Yamada sowie dem Gitarristen Ripley Johnson, der mit seiner Hauptband Wooden Shjips bereits seit einigen Jahren psychedelischen Spacerock macht. Das aus San Francisco stammende Moon Duo besticht durch seine psychedelische Monotonie - eine Monotonie, die nicht langweilig ist, sondern an die repetitive Minimalistik der Düsseldorfer Krautrocker Neu! anknüpft und elegant die Brücke schlägt zum Spacerock der Spacemen 3. Ihr ganz großartiges Debütalbum "Mazes" ist seit 1. April im Handel.

5) Crystal Stilts - Flying into the Sun
Crystal Antlers, Crystal Castles, Crystal Fighters, Crystal Method... Bands mit "Crystal" vorneweg scheinen momentan wie Pilze aus dem Boden zu sprießen - Verwechslungsgefahr garantiert. Nun also die Crystal Stilts. Ähnlich wie das Moon Duo sind auch die Crystal Stilts eine Band, die sich ganz bewusst auf große Bands der Vergangenheit bezieht, ohne dabei wie Abklatsch zu wirken. Das zweite Album "In Love with Oblivion" des Brooklyner Quintetts ist am 15. April erschienen.

6) Vivian Girls - Vanishing of Time
Intro bezeichnet die Musik der Vivian Girls als "nachdenklichen Gitarren-Reverb-Zauber-Pop für die Sommerwiese". Oder wie wär's mit Lo-Fi-Gitarrenschrammel-Noisepop oder so ähnlich!? "Wir sind definitiv keine Lo-Fi-Band", betonten die Vivian Girls letzten Sommer in einem Interview mit Dorfdisco. "Wir haben alle unsere Songs in richtigen Studios aufgenommen und viel Arbeit reingesteckt. Wir haben halt unsere eigene Vorstellung davon, wie wir klingen wollen, was unser Sound ist. Das mag für manche Menschen nach Lo-Fi klingen, ist aber unsere Art mit Musik umzugehen." Das dritte Album des All-Girl-Trios aus Brooklyn trägt den Titel "Share the Joy" und ist am 15. März veröffentlich worden.

7) Fleet Foxes - Sim Sala Bim
Über die Fleet Foxes ist zur Zeit viel zu lesen. Mit ihrem Debütalbum verzauberten die "Singenden Bärte" aus der ehemaligen Grunge-Hochburg Seattle vor drei Jahren die Indie-Szene und Feuilletons. Auch auf dem zweiten Album weiß der Hippie-Retrosound noch zu überzeugen. "Helplessness Blues" (VÖ 29.04.) klingt wie eine Mischung aus den Beach Boys und der Folk-Rock-Supergroup Crosby, Stills, Nash & Young. Bleibt noch die Frage, wie das Album zu seinem Titel kam: "One of the prevailing themes of the album is the struggle between who you are and who you want to be or who you want to end up being and how sometimes you are the only thing getting in the way of that", erklärt Sänger Robin Pecknold, der fast zwanzig Jahre nach Woodstock auf die Welt kam, obwohl er durch seinen Vollbart gar nicht ganz so jung aussieht.

8) Lou Reed - Satellite of Love
Bekannt wurde Lou Reed als Frontmann von Velvet Underground, eine der einflussreichsten Bands der Rockgeschichte. Nach seinem Ausstieg bei Velvet Underground machte Reed ab 1971 solo Karriere. Mit seinem zweiten Album "Transformer", produziert von David Bowie und Mick Ronson, schaffte Reed ein Jahr später den großen Durchbruch. Neben "Satellite of Love" befindet sich der Welthit "Walk on the wild side" auf dem Album. Auch thematisch sorgte Reed mit Transformer für Schlagzeilen: Die Texte handeln von New Yorks Unterwelt - von Drogensucht, Prostitution und Transsexualität. Passend dazu zieren das Artwork der Platte eine Drag Queen und ein - aus heutiger Sicht klischeehafter - Homosexueller mit Ledermütze und einer sich unter der hautengen Jeans abzeichnenden Riesenerektion.

9) Ja, Panik - Run from the ones that say I love you
Nochmal das Gelber-Tango-April-Album-des-Monats: DMD KIU LIDT - das spricht sich übrigens Di-Em-Di-Quiu-Lit und steht für Die Manifestation des Kapitalismus in unseren Leben ist die Traurigkeit. "Für den Kapitalismus spricht, dass manche seiner Opfer ihre Traurigkeit in Kunst verwandeln", kommentiert Spex den Titel des Albums augenzwinkernd im Hinblick auf die Genialität Ja, Paniks.

10) Hans Unstern - Paris
Ja, Panik gründeten letztes Jahr "Nein, Gelassenheit" als Sublabel ihres Labels Staatsakt. Im April 2010 erschien auf Nein, Gelassenheit das großartige Debütalbum "Kratz dich raus" des Berliner Liedermachers Hans Unstern. Vielleicht das beste deutschsprachige Album 2010, ein "vertontes Roadmovie" wie Spex schrieb. Anspieltipp: Endlos Endlos, das mit seinem dissonanten Harfengezirpe an Joanna Newsom erinnert.

11) James Pants - Strange Girl
Ob der Künstlername James Pants ein Wortspiel sein soll (»James' Pants) oder eine tiefere Bedeutung hat, konnte ich leider nicht herausfinden. Sondern nur, dass James Pants eigentlich James Singleton heißt. Seine vielseitigen musikalischen Einflüsse reichen von Elektro über New-Wave-Synthie-Pop, Funk und Soul bis hin zu Postpunk und Shoegaze. Das selbstbetitelte Album, das mit seinem roten Jewelcase im Plattenladen nicht zu übersehen ist, erschien letzten Freitag (29.04.).

12) TV on the Radio - Killer Crane
"Sunshine I saw you through the hanging vine / All memory of what was mine fading away / And as night heals the ground / And the moonlight steals the sound / I could leave suddenly unafraid", lautet es in der tieftraurigen Ballade "Killer Crane" wie ein Vorbote auf den Tod von Bassist Gerard Smith, der am 20. April im Alter von nur 36 Jahren einem Lungenkrebsleiden erlag. "Nine Types of Light", das fünfte TVOTR-Album, war wenige Tage zuvor erschienen. "And after all / We're free to fall / Once all the pain goes / And how we stood / And what was good / Could last so long." Gerard Smith - R.I.P.

13) Banjo or Freakout - Idiot Rain
Mit Remixen und Coverversionen von Bloc Party, Burial und Wild Beasts machte Banjo or Freakout erstmals auf sich aufmerksam. Im März erschien nun das wunderbare Debütalbum des Ein-Mann-Projekts, hinter dem der in London lebende Italiener Alessio Natalizia steckt, der so ziemlich alle Instrumente selbst eingespielt hat. Produziert wurde das Album von Nicolas Vernhes, der bereits mit bekannten Indie-Bands wie Animal Collective und den Dirty Projectors zusammengearbeitet hat.

14) Explosions in the Sky - Let me back in
Nach vier Jahren Abstinenz haben Explosions in the Sky am 22. April mit "Take care, take care, take care" ihr sechstes Studioalbum veröffentlicht. Und das ist - man kennt es auch nicht anders von den texanischen Postrockern, die sich selbst übrigens nicht als Postrock-Band bezeichnen - Postrock vom Feinsten. Man könnte behaupten die Musik sei vorhersehbar und womöglich gar ein alter Hut, gibt Pitchfork zu Bedenken und beschreibt EITS als letzte wahre Vertreter des "turn-of-the-century post-rock". Aber: "The simple fact is that Explosions in the Sky are very good at this particular thing." Auch Plattentests bescheinigt dem Album eine Tiefe, welche vielen Postrock-Platten der letzten Jahre und Monate fehlte. Es lasse schwarze Löcher entstehen, die den Hörer verschlucken - "falls er sich der schieren Schönheit und Impulsivität empfänglich zeigt."

Hintergrundtrack:
Das Notwist-Nebenprojekt Tied & Tickled Trio and Billy Hart mit dem Song Calaca (aus dem Album "La Place Demon", erschienen im 1. April bei Morr Music) 

Nächste Sendung am 19. Mai um 23 Uhr.

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