Montag, 17. Juni 2013

PLAYLIST VOM 17. JUNI

1) When Saints Go Machine - Slave to the take in your heaven
"Die dänischen Eigenbrötler von When Saints Go Machine waren schon immer die intuitivere Alternative zu Antony & The Johnsons - ohne Wehleidigkeit, ohne Transgender-Joch. Noch einen Zacken experimenteller, offener und zielloser", so das Elektronikmagazin De:Bug über INFINITY POOL (VÖ: 17.5./!K7 Records). "Kurz: Ein Album, das schwer zu greifen ist. Gut so, denn When Saints Go Machine sind Jünger der Sehnsucht. Und der Sehnsucht ist es (auch mal) egal, wonach sie lechzt."

2) Boards of Canada - Cold Earth
3) Boards of Canada - Come to Dust
Die Geheimniskrämerei um die erste Boards-of-Canada-Platte seit 2005 nahm in den vergangenen Wochen schon fast groteske Züge an. Jeder noch so kleine verwackelte Videofetzen wurde euphorisch rezipiert - diese entschleunigte Vermarktungsstrategie verlieh der neuen Platte eine übernatürliche Aura. Übernatürlichkeit, Entschleunigung, Vergänglichkeit, Zerfall - auf TOMORROW'S HARVEST (VÖ: 7.6./Warp Records) evozieren die beiden schottischen Brüder eine retrofuturistische, ambiente Nostalgie. TOMORROW'S HARVEST werfe seine Hörer zurück in eine Zeit, "in der die Welt noch in schöner Regelmäßigkeit unterging, als Apokalypsen über den Untergang der Menschheit durch Hungersnöte oder einen Atomschlag zum Standardrepertoire von Filmen gehörten", schrieb die taz kürzlich. Passend dazu ist auf dem Albumcover ein vergilbtes Foto von San Francisco während einer Atomexplosion abgebildet.

4) Brian Eno & Cluster - By this river 
5) Günter Schickert - Wanderer 
Ganze acht Jahre gingen ins Land ohne neues Album von Boards of Canada. In dieser Zeit mutierte das schottische Duo fast unmerklich zur Elektronik(a)-Referenz schlechthin. Ähnlich wie My Bloody Valentine beim Alternativ-/Noiserock/Shoegaze wurden Boards of Canada in gefühlt jeder zweiten Plattenbesprechung erwähnt. Vor allem Elektronikfrickler wie Bibio oder Tycho, aber zuletzt auch Mount Kimbie wurden mit Boards of Canada in Verbindung gebracht. Der BoC-Mythos wurde so groß, so unwirklich, dass es kaum ein Rezensent mehr wagte, Boards of Canada mit anderen Bands zu vergleichen. Boards of Canada stehen eben für sich selbst, so der Tenor.
Thematisch beziehen sich Boards of Canada mit TOMORROW'S HARVEST auf die 70er Jahre (siehe oben), nicht zufällig lassen sich in dieser Zeit auch die musikalischen Einflüsse für ihr neues Album ausmachen. Es gibt Querweise zu Brian Enos Ambient-Experimenten, aber auch zur sogenannten Berliner Schule. Zu dieser zählte neben Tangerine Dream auch Günter Schickert. Als ehemaliger Roadie von Klaus Schulze kam Schickert früh mit elektronischer Musik in Kontakt. Ein Jahr nach Schickert 1974er Debütalbum SAMTVOGEL nahmen die beiden THE SCHULZE-SCHICKERT SESSION auf, vor zwei Monaten via Cargo Records erstmals veröffentlicht. Der Track 'Wanderer' stammt aus Schickerts 1979er Album ÜBERFÄLLIG (letzten Sommer bei Bureau B als Reissue erschienen). Enos 'By this river', zusammen mit Cluster aufgenommen, stammt aus dem 1977er Meisterwerk BEFORE AND AFTER SCIENCE. Der Titel des Albums ist Programm: Dieses Art-Rock-Album entstand inmitten seiner 'wissenschaftlichen' Ambientphase.

6) The Album Leaf - Descent
7) Red House Painters - Katy Song
8) Mark Kozelek & Jimmy Lavalle - Gustavo
Während eine zweite Platte von The Postal Service weiter auf sich warten lässt, springt eine nicht minder spektakuläre Kollaboration aus Singer-Songwriter und Elektronikfrickler in die Bresche: Mark Kozelek und Jimmy LaValle, die beiden Masterminds von Sun Kil Moon und The Album Leaf, liefern mit PERILS FROM THE SEA (VÖ: 17.5./Caldo Verde Records) eine reduzierte, melancholische Version des Postal-Service-Sounds. Wurde Kozeleks Ex-Band Red House Painters einst zum Vorreiter eines Genres namens Sadcore, ließe sich dies nun als Sadtronics bezeichnen.
'Descent' stammt von der aktuellen Album-Leaf-EP FORWARD / RETURN (VÖ: 18.09.12). Der 'Katy Song' ist bereits aus dem Jahr 1993, vom zweiten RHP-Album ROLLERCOASTER.

9) Hailu Mergia & His Classical Instrument - Shilela
Veranstaltungstipp: Der New Yorker Musikethnologe Brian Shimkovitz hat eine Faszination für mehr oder weniger obskure Musikkassetten aus Afrika. Vor vielen Jahren kehrte er von seinen Reisen mit einem prallvollen Koffer zurück und startete damit 2006 seinen Blog namens Awesome Tapes from Africa. Immer wieder bereiste er den Kontinent, um neue Schätze zu sichten. "Und die zeichnen ein Bild afrikanischer Musik, das nur wenig mit romantischen Weltmusikklischees zu tun hat. Weil es natürlich afrikanische Musik überhaupt nur so wenig oder so sehr gibt wie asiatische oder europäische", erörterte die taz im April. Shimkovitz' Blog ist mittlerweile so erfolgreich, dass der Archivar und Historiker nunmehr auch ein gefragter und angesagter DJ ist. Diesen Samstag gibt Shimkovitz im Rahmen des Festival Theaterformen eines seiner DJ-Sets zum Besten: "Ein außergewöhnliches Gemisch aus traditioneller Musik aus dem Maghreb bis zu hektischen House-Rhythmen aus Südafrika, gesammelt in den Straßen und Shops Afrikas. Awesome!" Los geht's um 22 Uhr im Innenhof des Schauspielhauses, der Eintritt ist frei. Auf Shimkovitz' eigenem Label - ja, auch das hat er mittlerweile - erscheint am 28. Juni eine 1985er Aufnahme der äthiopianischen Ein-Mann-Band Hailu Mergia & His Classical Instrument.

Im Rahmen des Theaterfestivals, das im jährlichen Wechsel mit Braunschweig stattfindet, finden ab übermorgen viele weitere hochkarätige sowie kostenlose Konzerte: Kat Frankie (Mittwoch 19.6.), Die Heiterkeit (Donnerstag 20.6.), Bernadette LaHengst (Sonntag 23.6.), Dagobert (Montag 24.6.), Fredda (Dienstag 25.6.), Ja, Panik (Mittwoch 26.6.), Naked Lunch (Donnerstag 27.6.), Gustav (Freitag 28.6.) und Mardi Gras.BB (Samstag 29.6.). Eine tolle Alternative in diesen Ruby Tuesday-losen Tagen. Hier findet ihr die komplette Übersicht.

10) Bombino - Niamey Jam
Apropos "Weltmusik": Der Tuareg-Künstler Bombino hat sein neues Album NOMAD (VÖ: 12.4./Nonesuch Records) zusammen mit Black-Keys-Mastermind Dan Auerbach in Nashville aufgenommen. "Nicht nur aus Solidarität mit dem verfolgten Wüstenvolk oder Hipster-Exotismus sollte man NOMAD eine Chance geben", meint SPIEGEL ONLINE. "Auch wenn man kein Wort von dem versteht, worüber Bombino singt, der Blues war schon immer ein ganz globales Gefühl."

11) Austra - Home
12) Austra - Hurt me now 
Letzten Freitag ist bei Domino Records OLYMPIA erschienen - das Album des Monats Juni beim Gelben Tango. "Schon der Titel erzählt so viel: Olympia, Washington, Hauptstadt der amerikanischen Riot-Grrrl-Bewegung, Gründungsort von Gossip und Queer-Hochburg, benannt nach dem Berg, auf dem die griechischen Götter wohnen. Dort wollen Austra hin", schreibt Spex. "Mit OLYMPIA werden Austra big, keine Frage." 
  
Nächste Sendung am 1. Juli um 23 Uhr

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